Bei Anruf Sorry

Der Personalmangel in der Pflege hat längst zu einem Angebotsmangel geführt. So gut wie alle Pflegeeinrichtungen arbeiten an der Belastungsgrenze, viele haben bereits ihre Versorgungskapazitäten reduzieren müssen, weil das Personal fehlt und Refinanzierungen unklar sind. 

Die Folge: Viel zu oft müssen Pflegeeinrichtungen „Sorry“ sagen und Versorgungsanfragen ablehnen. Pflegebedürftige und ihre Familien bleiben mit der herausfordernden Situation alleine.

Mit der Kampagne #BeiAnrufSorry machen wir darauf aufmerksam und zeigen zugleich, wie schwer es für Pflegebedürftige und deren Angehörige inzwischen geworden ist, eine ambulante Versorgung, einen Tagespflegeplatz oder einen Heimplatz zu finden. 

Wir meinen: Jedes „Sorry“ ist ein „Sorry“ zu viel. Wir fordern die Politik auf, zu handeln!

Mein Mann und Ich pflegen eine hochbetagte, demente Frau, die ständige Betreuung benötigt. Morgens kommt der Pflegedienst zur Grundpflege. Beginnender Dekubitus auf Grund von Bettlägerigkeit seit 1 Woche. Patient muss oft gelagert werden. Ich suche eine Kurzzeitpflege, da eine Reha ansteht. Keine freien Kapazitäten.

Frau N. aus Niedersachsen

Wir sind ein großer Ausbildungsbetrieb. Bis vor 2 Jahren hatte ich noch 14 Auszubildende. Dadurch dass die Altenpflegeausbildung weggenommen wurde, sind es jetzt nur noch zwei Auszubildende als Pflegeassistenz und eine Pflegefachkraft. Wir waren immer gut aufgestellt, weil viele Auszubildende bei uns geblieben sind. Wenn unsere älteren Mitarbeitenden bald in Rente gehen und kein Personal nachkommt, werden wir uns automatisch verkleinern und damit auch vermehrt Anfragen ablehnen müssen.

Frau G., Leiterin eines ambulanten Pflegedienstes in Schleswig-Holstein

Seit März '24 habe ich einen Pflegedienst, der mein Kind morgens wäscht und anzieht. Es fehlen jedoch Kräfte, die tagsüber stundenweise die Betreuung übernehmen. Ich habe über 2,5 Jahre gesucht, alle Pflegedienste in der Stadt und im Umkreis angerufen und mich auf die Wartelisten setzen lassen. Absagen wie, Personalmangel, keine Kapazitäten waren Standard.

Frau K. aus Niedersachsen

Als Spezialeinrichtung für Menschen mit Demenz erreichen uns täglich, manchmal mehrmals am Tag Anrufe und E-Mails verzweifelter Angehöriger. Auch Mitarbeiter*innen der Sozialdienste aus den Krankenhäusern bitten uns immer wieder, einen freien Pflegeplatz zur Verfügung zu stellen. Wir würden so gerne helfen und die Betroffenen unterstützen!

Frau H., Leiterin einer stationären Pflegeeinrichtung in Niedersachsen

Ich bin alleinerziehend mit einem 6-jährigen Kind, welches eine allg. Entwicklungsverzögerung mit geistiger Behinderung hat. Es wäre schön, wenn 2-3 die Woche eine Unterstützung da wäre. Oder auch spontan nach Bedarf, denn das Leben lässt sich nicht immer planen. Aktuell suche ich nicht. Hatte mir Ende Februar den Arm gebrochen und brauchte dringend Hilfe mit meinem Kind. 10 Pflegedienste angerufen hier vor Ort (alle die es gibt) und 10 Absagen erhalten! Letztendlich musste mein Kind dann vorübergehend zum Vater ziehen für 4 Wochen.

Frau M. aus Schleswig-Holstein

Die größte Herausforderung bei uns ist die personelle Besetzung. Mein ganzes Team hat hier täglich 110% Stress. Trotzdem haben wir hier noch tolle, langjährige Mitarbeitende. Wir merken aber jetzt schon, dass mit den geburtenstarken Jahrgängen immer mehr Pflege nötig wird. Das wird immer knapper, immer schwieriger und man wird keine andere Möglichkeit haben als: Es tut mir Leid, ich kann Sie nicht versorgen.

Herr S., Leiter einer Tagespflege in Schleswig-Holstein

Wir sind der Meinung: Jedes „Sorry“ ist ein „Sorry“ zu viel! Deshalb fordert der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. gemeinsam mit „wir pflegen e.V.“ die Verantwortlichen in der Politik auf, endlich zu handeln. 

Um die Versorgung von Pflegebedürftigen unabhängig von ihrem Pflegegrad und die Unterstützung der Pflegenden Angehörigen zu sichern, fordern wir schnell wirksame Schritte zur Personalsicherung und zur Leistungsabsicherung für die Betroffenen. 

 

Für mehr Personal, damit pflegebedürftige Menschen sowie Ihre An- und Zugehörigen wieder Unterstützung finden:

Die neue Assistenzausbildung in der Pflege darf nicht zu einer weiteren Verknappung bereits jetzt nicht ausreichend vorhandener Strukturen beitragen . Dazu gehören allem voran der Pflegepädagogen- wie auch zunehmende Praxisanleitungs-Mangel. Die neue bundeseinheitliche Pflegeassistenz ist daher als qualifizierte wie praxisorientierte Ausbildung mit einer Ausbildungsdauer von zwölf Monaten zu konzipieren. Jede andere Regelung geht an den Bedarfen und vor allem an den zur Verfügung stehenden Ressourcen vorbei. Ohne den schnellen Aufwuchs von Assistenzkräften werden die Versorgungsengpässe in der Pflege weiter zunehmen.

Die Ausbildungszahlen liegen nach wie vor weit hinter dem Ausbildungsjahr 2021/2022 zurück, während der Personalbedarf in der Pflege weiter steigt. Es drängt sich die Frage auf: Warum wurde das Erfolgssystem der Altenpflegeausbildung abgeschafft, nachdem es zehn Jahre lang massive Zuwächse von insgesamt 60 Prozent aufweisen konnte? Das ist genau die Aufwärtsentwicklung, die wir angesichts der weiter steigenden Zahlen von Pflegebedürftigen dringend wieder brauchen. Stattdessen gehen mit der generalistischen Pflegeausbildung neue und komplizierte Ausbildungsabläufe einher; viele Interessierte und viele kleine Ausbildungsbetriebe werden verprellt.

 Mit einer stärkeren Digitalisierung der Ausbildung können die knappen Lehrkräfteressourcen effektiver genutzt werden. Zudem werden mit digitalen Angeboten mehr Auszubildende in der Fläche erreicht. Studien (Isfort, dip), haben gezeigt, dass Auszubildende in der Regel aus einem Radius von 20 Kilometern rund um eine Pflegeschule stammen. Wer weiter entfernt wohnt, geht für die Pflegeberufe verloren.
Der verstärkte Einsatz von digitalen Formaten in der Weiterbildung setzt zudem zeitliche Potenziale frei, die wieder der direkten Versorgung zu Gute kommen können.

In der Anerkennung internationaler Pflegekräfte müssen alle beteiligten Behörden nach wie vor viel schneller werden. Wir brauchen eine Kompetenzvermutung, die den Überprüfungsprozess für internationale Pflegekräfte komplett umdreht: Wer eine entsprechende dreijährige Ausbildung oder ein Studium sowie die passenden Sprachkenntnisse hat, muss sofort als Fachkraft in Deutschland arbeiten dürfen. Ein eventuell notwendiger Vergleich der Ausbildungsinhalte kann im Nachgang erfolgen, während sich diese dringend benötigten Kräfte längst kompetent um pflegebedürftige Menschen kümmern können.

Für mehr Potentiale in der Versorgung schwerst­pflege­bedürftiger Menschen:

um bei knapper Personalsituation auch schwerstpflegebedürftige Menschen qualitätsgesichert versorgen zu können.

um den Pflegeeinrichtungen wirtschaftliche Handlungsspielräume für die Versorgung schwerstpflegebedürftiger Menschen zu geben.

Für angemessene Leistungen der Pflegeversicherung, damit Betroffene wieder die Pflege in Anspruch nehmen können, die sie brauchen und die ihnen zusteht:

insbesondere im ambulanten Bereich, der das enorme Auseinanderdriften von Preisen und Sachleistungsbeträgen stoppt. 

entsprechend der Kostenentwicklung in der Pflege, inklusive politisch gewünschter Mehrkosten. 

da diese Versorgungsformen maßgeblich zur Entlastung der pflegenden Angehörigen und Zugehörigen beitragen.

indem alle versicherungsfremden Leistungen, die derzeit die Pflegeversicherung übernimmt, künftig durch die Stellen finanziert werden, die dafür systemgetreu zuständig sind:

  • ca. 3 Mrd. Euro jährlich medizinische Behandlungspflege im Pflegeheim: Übernahme durch die Krankenkassen
  • ca. 3 Mrd. Euro jährlich für die soziale Absicherung der Pflegepersonen (u.a. Rentenpunkte für pflegende Angehörige): Übernahme aus Steuermitteln
  • Zweistelliger Millionenbetrag jährlich für Förderbeträge u.a. für Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf: Übernahme aus Steuermitteln
  • Herausnahme der Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen - hier muss der Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen endlich umgesetzt werden.

Teilen Sie unsere Forderungen in den Sozialen Medien unter dem Hashtag #BeiAnrufSorry! Hier finden Sie unser Kampagnen-Material!

Die Initiatoren

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) bildet mit mehr als 13.000 aktiven Mitgliedseinrichtungen die größte Interessenvertretung privater Anbieter sozialer Dienstleistungen in Deutschland.

wir pflegen e.V.

Der Bundesverband wir pflegen e.V. ist eine Interessenvertretung und Selbsthilfeorganisation pflegender Angehöriger. Der 2008 gegründete Verein setzt sich für nachhaltige Verbesserungen in der häuslichen Pflege ein. Über den Austausch mit anderen Pflegenden ermöglichen wir Angehörigen mehr Anerkennung, Kontakt und Informationen sowie eine Stimme in Politik und Gesellschaft – als gleichberechtigte Partner in der Pflege. Zu unseren Mitgliedern zählen ehemals und aktiv pflegende Angehörige, Nachbarn und Freunde und viele weitere Personen, die sich persönlich, beruflich oder wissenschaftlich in der Pflege engagieren und pflegenden Angehörigen zu mehr Wertschätzung und Unterstützung verhelfen wollen.